Teilhabe – jetzt erst Recht!

[13.12.2016]  Meldung

am 7. November 2016 ging das Bundesteilhabegesetz im zuständigen Bundestagsausschuss in die letzte entscheidende Anhörung. Aus Sicht der Verbände ist das Gesetz so nicht akzeptabel, da deutliche Verschlechterungen für Menschen mit Behinderung, insbesondere für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, zu befürchten sind. Anlass zu großer Sorge gibt insbesondere die ungelöste Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe, Pflegeversicherung und Hilfe zur Pflege.

Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB), der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) und der Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e.V. (Anthropoi Bundesverband) riefen deshalb am 7. November 2016 (13:00 – 14:30 Uhr) zu einer großen Kundgebung in Berlin in der Paul-Löbe-Allee zwischen Konrad-Adenauer-Straße und Willy-Brandt-Straße auf.

An der Kundgebung wurden die 6 Kernforderungen der Fachverbände für Menschen mit Behinderung an die Politik übergeben:

  1. Unterstützung gewährleisten – niemand darf aus dem System fallen! Der Gesetzentwurf des BTHG bestimmt, dass Menschen mit Behinderung in fünf von neun Lebensbereichen auf Hilfe angewiesen sein müssen, wenn sie Unterstützungsleistungen bekommen sollen. Diese Hürde ist viel zu hoch!
  2. Nicht in die Pflege verschieben, nicht von Pflegeleistungen ausschließen! Pflegebedürftige Menschen mit Behinderung brauchen auch in Zukunft Teilhabe und Pflege nebeneinander. In Bezug auf die schwierige Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege ist es hilfreich, Lebenslagen zu unterscheiden: Ist ein Mensch lebenslang behindert, muss die Teilhabeleistung die Pflege umfassen. Entsteht die Behinderung erst im Alter, muss die Pflege die Teilhabeleistung umfassen. Damit ist die Zuständigkeit klar geregelt, langfristige Rechtsstreitigkeiten werden vermieden, und alle Menschen bekommen die notwendige Unterstützung für ihre Bedarfe.
  3. Bei Systemumstellung keine Lücken lassen! Was heute in Wohnstätten für behinderte Menschen als Leistung aus einer Hand funktioniert, muss auch mit dem BTHG noch funktionieren. Wenn Menschen mit Behinderung beim Wohnen zukünftig unterschiedliche Leistungen zusammentragen müssen, darf ihr bisheriges Zuhause – eine Wohnung, eine Wohngruppe oder eine Wohneinrichtung der Behindertenhilfe – nicht gefährdet werden. Auch muss sichergestellt werden, dass Menschen, die gemeinschaftlich in Einrichtungen leben, weiterhin einen Geldbetrag zur freien Verfügung haben.
  4. Leistungen bedarfsgerecht ausgestalten! Wenn Dienste und Einrichtungen Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung anbieten, müssen sie eine Möglichkeit haben, über diese mit dem Leistungsträger fair zu verhandeln und einen angemessenen Preis erzielen können. Die Schiedsstellenfähigkeit der Leistungsvereinbarungen muss, wie von der Bundesregierung vorgesehen, eingeführt werden.
  5. Mit den neuen Gesetzen die Versorgung nicht verschlechtern! Bestandsschutzregelungen genügen nicht. Auch die zukünftige Generation von Menschen mit Behinderung darf nicht schlechter gestellt werden.
  6. Teilhabe am Arbeitsleben für Alle gewährleisten! Das Recht, an Arbeit teilzuhaben, gilt für Alle, auch für schwerst- oder mehrfachbehinderte Menschen. Niemand darf per Gesetz davon ausgeschlossen werden.

Im Mittelpunkt der Kundgebung standen Beiträge zum Bundesteilhabegesetz aus unterschiedlichen Perspektiven:

  • Svenja Lechtenfeld (Selbstvertreterin aus der Werkgemeinschaft Schloss Hamborn) hat ihre Forderungen der Teilhabe und Inklusion an das Bundesteilhabegesetz formuliert.
  • Michael Conty (Sprecher der Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz der Fachverbände) hat aus erster Hand von der Anhörung zum BTHG am 7. November im zuständigen Bundestagsausschuss berichtet.
  • Gerold Abrahamczik (Sprecher des CBP Angehörigenbeirats) hat Teilhaberisiken des Gesetzes aus der Perspektive von Familien mit Menschen mit schwerst- und mehrfacher Behinderung dargestellt.

Desweiteren haben drei Vertreter der ausrichtenden Fachverbände wesentliche Kernforderungen an die Politik formuliert.

Aus dem ganzen Bundesgebiet haben laut Polizeiangaben bis zu 5000 Menschen an der Kundgebung teilgenommen. Aus Alt-Schönow sind 4 BewohnerInnen und 8 MitarbeiterInnen sowie 4 Angehörige dabei gewesen. Dafür hatten wir große Transparente mit den Kernforderungen in leichter Sprache vorbereitet.

Jetzt heißt es abwarten, ob die Forderungen in das Bundesteilhabegesetz aufgenommen werden.