Alt-Schönower Gespräche

[30.05.2017]  Meldung

In einer Mitgliederversammlung des Trägervereins Camphill Alt-Schönow e.V. ist die Idee entstanden, eine Gesprächsrunde anzubieten, in der gesellschaftliche, politische und kulturelle Fragen in Alt-Schönow behandelt werden können. Dazu werden interessante Gäste eingeladen, die entweder aus ihrem Lebenslauf etwas zu erzählen oder zu bestimmten Themen eine diskussionswürdige Meinung haben und dann im Plenum miteinander bewegt werden.

Für unsere erste Veranstaltung am 22. März des Jahres konnten wir Herrn Krück gewinnen, um uns etwas aus seinem Leben zu erzählen. Das von ihm gewählte Thema lautete: Der Einzelne und ein größeres Ganzes; persönliche Erfahrungen mit Camphill. Er hat etwas über seine Erlebnisse berichtet und was Camphill für ihn bedeutet. Dazu hat er uns sehr anschaulich über eine entscheidende Epoche seiner Biographie in Südafrika und seine damals ausgeübte Tätigkeit als Musiker erzählt. In einem der dortigen Konzerte war eine Gruppe von Kindern mit geistigen Behinderungen im Auditorium, die mit großer Begeisterung und einer völlig offenen Art auf die dargebotene Musik eingegangen sind und dadurch eine ganz besondere Atmosphäre erzeugt haben – eine Art Zwiesprache zwischen den Zuhörern und den Künstlern. Das war für Herrn Krück der Anlass, daüber nachzudenken, was eigentlich für ihn der tiefere Sinn seines Lebens bzw. seine Lebensaufgabe sei. Durch diese Gedanken ist er auf eine Camphill-Einrichtung in Südafrika in der Nähe von Kapstadt aufmerksam geworden, in der Menschen mit und ohne Behinderung zusammen lebten und arbeiteten. Hier konnte er wahrnehmen, dass durch gegenseitiges Helfen, Ergänzen und Ausgleichen individuelle Unfähigkeiten ihre einschränkende Wirkung verloren. Das gab seinem Lebenslauf eine entscheidende Wendung. Er entschied sich gegen das damals sehr ausgeprägte Streben nach Perfektion im Musikerberuf und fand in der Sozialtherapie sein neues kreatives Gestaltungsfeld. Dort begegnete er den Grundgedanken von Karl König, durch die er auch die Anthroposophie kennenlernte. Ihm wurde immer deutlicher, dass die Camphill-Idee durch die Frage nach der geistigen Identität und Mission des individuellen Menschen sowie durch das Vorzeichen der Inklusion geprägt ist. Heute sieht er überall die Herausforderung, dass die Entwicklung des Einzelnen und die eines tragfähigen sozialen Zusammenhangs sich gegenseitig fördern können.

Durch persönliche Lebensumstände kam Walter Krück nach einigen Jahren wieder nach Deutschland zurück, zunächst an den Bodensee und von dort nach Berlin, um Alt-Schönow mit aufzubauen, mitzugestalten und schließlich auch die Leitung in der Pionierphase zu übernehmen.

Er hat mit seinem sehr lebendigen und beeindruckenden Bericht das Gespräch geöffnet, das er am Ende mit Sätzen von Richard v. Weizäcker abschloss: „Das Lebenserhaltende ist die Vielfalt.“ – „Es gibt keine Alternative zur Erkenntnis, dass wir, allen Konflikten zum Trotz, in einem Boot sitzen.“ – „Nur wenn wir uns selbst finden, können wir die Wesensart des anderen erkennen und respektieren.“ – „Es geht nicht darum, Grenzen zu verschieben, sondern den Grenzen ihren trennenden Charakter zu nehmen.“ – „Das ist sicher: Das Bedürfnis nach menschlicher Nähe wiegt auf Dauer schwerer als alle Verschiedenheit der politischen Systeme“.

Die Veranstaltung wurde mit großer Begeisterung und Zustimmung aufgenommen. Es ist daher auch vorgesehen, in loser Folge diese Art von Gesprächsrunden fortzusetzen.