Das Forum der mittel-europäischen Camphill-Plätze traf sich in Berlin Alt-Schönow!

[25.05.2017]  Meldung

Sie fragen sich jetzt eventuell, sehr geehrte Leserinnen und Leser, was bzw. wer sich vom 17. – 19. März bei uns im Saal getroffen hat? Ich versuche es kurz zu erklären und auch das „warum und was“ genügend zu beschreiben.

Die Camphill-Lebensorte haben sich ja bald nach ihrer Gründung in Schottland europa- und weltweit ausgebreitet. Ein Band, das die Bewegung zusammenhielt, war die Begegnung und das Weiterentwickeln des tragenden Urimpulses. Im Laufe der gemeinschaftlichen und individuelleren Platzbiografien und der sich ebenfalls entwickelnden gesellschaftlichen Anforderungen ist das Verbindungsband zwischen den Camphill-Plätzen lockerer und weiter geworden. Von den ehemals vielen, differenziert arbeitenden Camphill-Arbeitskreisen ist uns das Camphill-Forum als ein Ort der Zusammenkunft und des inhaltlichen Arbeitens geblieben. Aus den Ländern Österreich, Tschechien, Schweiz, Holland, Frankreich und Deutschland laden sich nun zweimal im Jahr Mitarbeitervertreterinnen und -vertreter an einen der beteiligten Camphill-Plätze ein.

Soweit die eher trockenen Fakten. Sie interessiert wahrscheinlich, was wir nun bei uns gemacht haben. Wir haben natürlich angeknüpft an das langjährige Thema: „Führen und Leiten in Camphill“. Dieses Thema wurde im März 2016 auf der holländischen Insel Texel abgeschlossen und es musste nach einem neuen Thema mit einer gemeinsamen Aufgabenstellung gesucht werden. Neben der Themensuche wurde auch der langjährige Forumskoordinator aus dem Humanushaus mit vielem Dank für seine ordnende und achtsame Art der Leitung in den Ruhestand verabschiedet. Die hinterlassene Lücke war groß und konnte nach langem Suchen durch jüngere Kolleginnen und Kollegen geschlossen werden. Beim Herbsttreffen in Perceval war dann deutlich, dass wir uns dem Weiterentwickeln des Urimpulses zuwenden wollen. Folglich war das Thema des Berliner Treffens:

Individualität der Leitbilder – Reflexion und Resonanz

Es kamen nun am Freitagnachmittag 24 Camphill-Kolleginnen und -Kollegen in einer bunten Mischung in Alt-Schönow an.

Christian Schmock und ich zeigten, schon mit ein bisschen Stolz, nach dem Ankommenskaffee den Gästen unser schönes Gelände. Nach einer weiteren Mitteilungsrunde im Saal (wo wir auch von den Herausforderungen hören durften, welche an einzelnen Plätzen bewältigt werden müssen), knüpfte Christian Schmock an die nachmittägliche äußere Führung eine innere Platzentwicklungsführung an.

Anhand des Zeitstrahles (den sie bald in unserer Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum von Camphill Alt-Schönow finden werden) führte er durch die Phasen der Platzentwicklung. Es entstand eine Ahnung vom „Geschmack der Gründungs- und Pionierphase“, wo eigentliche ohne größere Auflagen und Kontrollen vom Staat der einfache Auftrag gegeben wurde: „Lebt Eure Ideen, und macht das bitte gut!“ Es war die Kraft vorhanden, die großen Herausforderungen und Auseinandersetzungen zu bewältigen. In der anschließenden Differenzierungsphase wurde die Kunst der genialen Improvisation und der persönlichen Bestleistungen langsam in Dienstplansysteme und zuschreibbare Aufgaben- und Rechenschaftsverantwortungen verwandelt. Nun, in der anstehenden Integrationsphase versuchen wir, trotz extrem zunehmenden staatlichen Auflagen und Kontrollmechanismen, wieder etwas mehr von dem persönlichen Durchdringen der Einrichtungsstruktur wirken zu lassen. Sie lesen hier in drei Sätzen eine brachiale Reduzierung eines viel umfassenderen und sehr anregenden Beitrages! (Ich darf hier leider keine drei Seiten schreiben!)

Der Samstagmorgen begann damit, dass 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich gerne auf die eurythmischen Bewegungsdynamikanregungen von Erik Brave einließen. Falls Sie es noch nicht wussten, Menschen können nicht nur Kanon singen, sie können Kanon gehen, wenn sie es üben! Und Erik Brave übte mit uns so genial, dass wir am Sonntag den Kanon: „Liebe das Werdende – das noch Verborgene – lausche dem Leben – öffne das Ohr“ vielstimmig, kugelweitergebend im Kanonchor gehensingend konnten! Es ist ein besonderes Erlebnis, wenn man an so einem Zuwachs an Gemeinschafts- oder Teamfähigkeit teilhaben darf.

Danach waren wir eingestimmt für die Kernaufgabe dieser Zusammenkunft. In der Vorbereitungsphase wurden die aktuellen, platzindividuellen Leitbilder durch folgende Fragen bereits zuhause geprüft:

  • Einrichtungsbiographie – Wie sind wir geworden? Welches war die Gründungsidee der Einrichtung? Was wollen wir erreichen oder unbedingt vermeiden?
    Fremdbild – Wie sehen uns die anderen? Welche Stärken und Schwächen sehen die anderen?
  • Selbstbild – Warum wäre die Welt ärmer, wenn es uns nicht gäbe?

Mit dieser Vorbereitung konnten wir uns dann während dem Camphill-Forum den Kernfragen zuwenden:

  • Welche Aussagen finden sich in unserem Leitbild in der Verbindung zu der Camphill-Bewegung?
  • Welche Grundsätze möchte ich in allen Camphill-Leitbildern wieder finden?

In der Pionierphase der Camphill-Gemeinschaft musste man sich diese Fragen nicht auf diese Art stellen. Jetzt haben sich die Plätze und Menschen individualisiert und differenziert entwickelt. Dasjenige, was im Hier und Jetzt Menschen verbindet, muss wieder neu gesucht und formuliert werden. Ein gemeinsames Leitbild kann nicht verordnet werden (sonst ist es Manifest). Es wird in der tätigen Ebene des gemeinsamen Tuns, Betrachtens und Suchens gefunden.

In der Präsentation der Arbeitsgruppenergebnisse wurde deutlich, dass auf den Camphill-Plätzen ein Menschenbild und eine Sinnsuche gepflegt werden will, die es nötig macht, dass wir uns in gegenseitiger Wahrnehmung, Spiegelung und freundschaftlicher Begegnung weiter entwickeln. Noch Konkreteres wird nach dem Herbsttreffen im Humanushaus und nach dem Frühjahrstreffen 2018 in Tschechien, České Kopisty, zu berichten sein. Von einem Highlight möchte ich zum Schluss noch berichten. Am Samstagnachmittag war eine außerordentliche inklusive Bürgerversammlung angesetzt. Inklusion, weil dazu auch die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer eingeladen waren. So konnten diese Alt-Schönow besser kennen lernen und im Gegenzug konnten die Alt-Schönowerinnen und Alt-Schönower die wunderbaren Berichte hören, die die Gäste aus Hermannsberg, Liebenfels, Holland, Schweiz, Nürnberg, Sellen, Lehenhof und Brachenreuthe uns gaben. Es war schon eine Freude so warme Schilderungen vom Leben aus den befreundeten Plätzen zu hören. Die Gäste konnten dann die Vorstellung unserer Kandidatinnen und Kandidaten für die nächste Bewohnerbeiratswahl erleben und an der Vorschlagssammlung für das Märchen teilnehmen, welches wir in unserer Festwoche „25 Jahre Camphill Alt-Schönow“ einübend erleben wollen.

Jede Alt-Schönowerin und jeder Alt- Schönower wurde nach seinem Lieblingsmärchen befragt und fast jede und jeder hatte einen schönen Vorschlag.

Am Sonntagmittag bedankten sich die Gäste bei uns für die warme Aufnahme und gute Bewirtung. Gegenseitig, und vielleicht auch noch bei einem wohlgesonnen Camphill-Geist, konnten wir uns für das gute Zusammenklingen und für die spürbare Achtsamkeit auf die Frage: „Was wird in der Zukunft auf uns zukommen“ bedanken.

In der Hoffnung, dass es noch besser gelingen wird, dass Bewohnerinnen, Bewohner, jüngere Kolleginnen und Kollegen an diesem Prozess mit teilhaben wollen, beende ich diesen Bericht.